Die allgemeine Wohnungsnot der ersten Nachkriegsjahre traf Studierende besonders hart. Nach dem zweiten Weltkrieg bot ein baufälliges Provisorium in der Tesdorpfstraße 20 Notbetten, an der Sternschanze stand eine Baracke als Wohnheim für 23 Studierende zur Verfügung. Anfang der 50er Jahre unterstützte der Erste Bürgermeister der Hansestadt, Max Brauer, einen Spendenaufruf unter der Hamburger Bevölkerung und Kaufmannschaft für den Neubau eines Studentenwohnheims. In der hanseatischen Tradition lag es, diesem „geistigen und kulturellen Anliegen im Rahmen seines wirtschaftlichen Gefüges Raum zu geben“. Das akademische Hamburg war durch den „unbestechlichen Sinn für Realitäten und den Blick auf den weitgespannten Horizont der Welt“ hanseatischem Kaufmannsgeist verpflichtet. „In der Luft eines Christophorus-Hauses auf hanseatischem Boden wird sich [die Wechselwirkung von Wirtschaft und Wissenschaft] von selbst ergeben.“
So wurde 1952 das Christophorus-Haus durch namhafte Bürger, Politiker und Kirchenleute in privater Trägerschaft in Groß Flottbek gegründet. Am 19.6.1952 fand die Grundsteinlegung durch Prof. Bruno Snell statt und am 10. April 1953 konnte das Gebäude am Kalckreuthweg 74 in Anwesenheit des noch amtierenden Ersten Bürgermeisters Max Brauer und Bundespräsident Theodor Heuß eingeweiht werden. Es war das erste Studentenwohnheim in Hamburg nach dem Zweiten Weltkrieg und verfügte anfangs über knapp 100 Plätze.
„Es ist kein Zufall, dass die Errichtung des Christophorus Hauses, in dem Studenten sich selber und die geistigen Reichtümer der Erde finden sollen, gerade in Hamburg gewagt wurde, in der Stadt, die den Beinamen „Das Tor zur Welt“ führt. (…) Die Freigebigkeit und Großzügigkeit des königlichen Kaufmanns, der auch in unseren verschrienen Zeitläufen noch nicht ausgestorben ist, der Opfersinn, die Hilfsbereitschaft und die unablässigen Überlegungen Einzelner haben dies Haus mit seinen reichen und erlesenen Einrichtungen entstehen lassen.“
Studentinnen waren zu Beginn der 50er Jahre noch in deutlicher Minderheit. Das Christophorus-Haus plante 42 Zimmer für Studenten der Universität, 22 Zimmer für Fachhochschulstudenten, nur 13 Zimmer für Studentinnen der Universität und 7 Zimmer für Studentinnen der Fachhochschulen. Die räumliche Trennung der Geschlechter spiegelte den Zeitgeist wider.
Seiner Bestimmung nach stand das Heim vor allem auswärtigen Studenten offen, von Anbeginn legte man Wert auf die Internationalität der Bewohnerschaft.
„Wie sich gesellschaftlich auf diesem Raum die Nationalitäten treffen, so treten auf dem gleichen Boden die Fakultäten miteinander in Berührung und geistigen Austausch: nicht nur Natur- und Geisteswissenschaften, bildende Künste, Architektur, sondern auch Handwerk, Technik, Musik…. Damit wird gefördert, was das kommende „studium generale“ erstrebt: eine möglichst breitfundierte Bildung des künftigen Fachspezialisten.“
80 bis 100 Einzelzimmer wurden geplant, die Stadt Hamburg stellte das 4080 qm Grundstück in Erbpacht zur Verfügung. Der jetzige Große Saal diente als Speise- und Veranstaltungssaal, kleine Musikübungsräume waren von Anfang an sehr begehrt. Viele Hamburger Einzelspender und Firmen brachten DM 80.000 auf, der McCloy-Fond unterstützte das Vorhaben mit DM 150.000, vom Hauptamt für Soforthilfe wurden DM 160.000 bewilligt. Die Inneneinrichtung der 6 qm kleinen Zimmer wurde mit jeweils DM 750 kalkuliert, die erneut über Spenden finanziert wurde.
1954 bezog das Europa-Kolleg das baugleiche Gebäude im Haus 80, bis dieses einen Neubau im Windmühlenweg beziehen konnte und der Verein Christophorus-Haus e.V diese Gebäude übernahm. Das Europa-Kolleg wurde 1953 gegründet und ist, wie das Christophorus-Haus, noch heute als privatrechtliche Stiftung organisiert. Das Europa-Kolleg fördert Forschung und akademische Lehre im Bereich der Europäischen Integration und der internationalen Zusammenarbeit.
Wohnheime sollten mehr sein als nur Studentenunterkünfte. Durch die sogenannte Hamburger „Protektorenordnung“ von 1962 sollte sich das kulturelle Leben durch enge Zusammenarbeit zwischen Dozenten und Studenten entwickeln. In jedes Wohnheim zog ein Professor (zum Teil mit Familie) ein, der als „Protektor“ als Ansprechpartner für die Heimbewohner zur Verfügung stand. Damit war das Christophorus-Haus ein Akademisches Kolleg. Auf Vorschlag des Protektors wurde ein „Tutor“ ernannt, der mit politischen, musischen und sonstigen Veranstaltungen „geistige Anregung“ geben und die „Bildung einer lebendigen Hausgemeinschaft fördern“ sollte. Die Tutorenfunktion wurde später im Christophorus-Haus durch eine Heimselbstverwaltung (HSV) abgelöst, die sich im sog. Hausstatut eine Satzung gibt. Sie organisiert eigenverantwortlich Aktivitäten der Heimbewohner und kann aus studentischer Sicht auf anstehende Investitionen und Renovierungsmaßnahmen durch den Trägerverein Einfluss nehmen.
Die Studentenbewegungen von 1968 prägten das Selbstverständnis der Studierenden der 70er Jahre. Es war eine Zeit der Politisierung in den Wohnheimen. Als der Trägerverein 1974 die Mieten für die kleinen 6 qm Zimmer mit Gemeinschaftsduschen und dem Mobiliar seiner Gründungszeit um 20% erhöhen wollte, traten die Heimbewohner mehrheitlich in den Mietstreik und zahlten die monatliche Miete auf ein Anderkonto. Jurastudenten des Heimes vertraten die Bewohner in den Einzelverhandlungen vor Gericht. Die Prozesse endeten mit einem Vergleich, wonach Heimbewohner mit älteren Verträgen von einer Nachforderung befreit blieben, neuere Verträge jedoch so ausgelegt waren, dass die Mieterhöhung juristisch nicht angefochten werden konnte. Der Streik hatte das Gemeinschaftsgefühl der damaligen Heimbewohner sehr gestärkt, war aber für den Trägerverein eine harte Belastungsprobe.
Bereits drei Jahre zuvor waren etliche Studentenheime Hamburgs in einen sechsmonatigen Mietstreik getreten, in deren Folge drei private Träger der Zerreißprobe nicht standgehalten hatten und die von ihnen gegründeten Wohnheime (Unnastraße, Hagenbeckstraße, Grandweg) dem Studentenwerk übertrugen.
Der Trägerverein Christophorus-Haus e.V. hat es in den folgenden Jahrzehnten geschafft, dass das Heim, getragen vom Engagement Hamburger Bürger, weiterhin eigenverantwortlich seinen Stiftungszweck erfüllen konnte. Umfängliche Innensanierungen wurden vorangetrieben.
In Folge der Emanzipationsbewegung der späten siebziger Jahre formierte sich im Christophorus-Haus eine Frauengruppe, die ein geschlechterparitätisches Heimsprecherteam durchsetzte. Die Protektoren-Wohnung wurde 1965 in weiteren Wohnraum für Studierende umgewidmet, die quasi in einer „Wohngemeinschaft“ leben und sich eine Gemeinschaftsküche und Bad teilen. Die Vollversammlung der Heimbewohner wählte Vertreter aus ihrer Mitte, die im Einvernehmen mit der Heimverwaltung, dem Protektor und Vorstand des Trägervereins nicht nur das unmittelbare Gemeinschaftsleben der Heimbewohner organisierten, sondern auch freiwillige Arbeitsgemeinschaften, Sportaktivitäten, Bibliotheksorganisation und Ausbau notwendiger digitaler Kommunikationsstrukturen anstießen und umsetzten.
Nach fünfjährigem Ringen um die Finanzierung konnte von 1985 bis 1987 das Heim komplett saniert werden. Außerdem wurde hinter dem Haus Nr. 74 das Prokuratorenhaus errichtet. Zwei Jahre lebten die Studierenden auf einer Baustelle und mussten von einem Bereich in den nächsten ziehen. Die Anstrengung hatte sich gelohnt. Vorstandsvorsitzender Pastor Heidenreich dankte dem Senat für die großzügige Subvention, ohne die der Verein das Heim hätte schließen müssen. Zum 35-jährigen Bestehen wurde am 5.11. 1987 die Sanierung mit einem Festempfang unter Anwesenheit von Unipräsident Dr. Dr. Fischer-Appelt abgeschlossen. Man sparte 27 Plätze ein, dafür wurden die verbliebenen 149 Zimmer größer und komfortabler. Neue Waschmaschinen, Kühlschränke und neue Übungsräume für Musikstudenten im Untergeschoss rundeten die Maßnahme ab.
1997 begann im Christophorus-Haus das digitale Zeitalter, alle Zimmer verfügen über Telefon und einen Internetzugang. Durch kontinuierliche Umbaumaßnahmen wurde der Wohnstil den Bedürfnissen der Studierenden angepasst. Anstelle langer Flure mit aneinandergereihten Einzel- und Doppelzimmern wurde teilweise durch kleinere Wohneinheiten dem „Appartementkonzept“ Rechnung getragen, das sich an heutigen studentischen WGs orientiert.
2003 wurde das fünfzigjährige Jubiläum des Christophorus-Hauses in Anwesenheit von Senator Dräger und Universitätspräsident Prof. Dr. Lüthje mit Heimbewohnen und Ehemaligen groß gefeiert. Die ehemalige Bibliothek im ersten Stock des Hauses war 1975 durch Einbau zusätzlicher Wohnheimzimmer in den Keller von Haus 80 gewichen. 2007 wurde die Bibliothek völlig neu gestaltet und möbliert, gefördert vom Rotary Club Hamburg. Das Wohnheim erhielt 2009 eine neue Highspeed-Glasfaser-Internetverbindung mit bis zu 12 MB/s. Eine jahrelange umfassende Sanierung mit Vergrößerung der Zimmer, Sanierung der Bäder und Küchen konnte 2015 weitestgehend abgeschlossen werden. Das Haus steht unter Denkmalschutz.
Derzeit hat das Christophorus-Haus 147 Bewohner mit einem Ausländeranteil von 35%. Die meisten der 6-qm-Zimmer wurden zu 12-qm-Zimmern zusammengelegt und neu möbliert, Küchen und Bäder überwiegend saniert, es gibt einen Fitnessraum, ein Gruppenarbeitsraum ist in Planung. Seit seiner Gründung 1953 finden regelmäßig einmal pro Semester als Höhepunkt des Heimlebens Hauskonzerte statt, in denen Bewohnerinnen und Bewohner ihr musikalisches oder sonstiges künstlerisches Talent zum Ausdruck bringen.